Zertifizierung als letzte Chance

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Um in der Digitalisierung nicht den Anschluss an US-amerikanische und asiatische Konkurrenz zu verpassen, setzen heimische Cloud-Anbieter auf europäische Normen.

Europa hat bei der Digitalisierung Aufholbedarf, darüber sind sich Experten einig. Sind zwar einige wenige Länder wie Dänemark, Schweden, die Niederlande oder Finnland nach Einschätzung des europäischen „Digital Economy and Society Index“ sogar weltweit führend, so muss in den meisten Länder sowohl bei Know-how der Bevölkerung als auch bei der Integration von digitalen Technologien und digitalen öffentlichen Services noch einiges passieren.

 

 

Vor allem, was die wirtschaftlichen Auswirkungen betrifft, sind viele Akteure besorgt. „Europa ist paralysiert“, fasst beispielsweise Tobias Höllwarth, Vorstand der Eurocloud Austria, die Situation zusammen. Aktuell werden wie im Goldrausch Claims abgesteckt: Hardware kommt aus Asien, die Software aus den USA, sagt Höllwarth. Für europäische Unternehmen bleibt bis auf einige Ausnahmen wenig Handlungsspielraum.

Noch sei aber nicht alles verloren: „Der versteckte Joker sind die Rahmenbedingungen“, sagt Höllwarth. Wenn es gelinge, Zertifizierungen und Standards zu setzen, dann könne auch so der Markt und die Produkte beeinflusst werden – mit positiven Auswirkungen für den Standort und für europäische Anwender.

Lieferkette im Fokus

Mit dem Euro Cloud Star Audit hat Höllwarth auch gleich eine eigene Zertifizierung etabliert. Dabei wird die gesamte Lieferkette des Cloud-Ökosystems überprüft. Neben allgemeinen Informationen zum Anbieter, wie dem physikalischen Standort der Datenhaltung, wird auch Compliance, Sicherheitsmanagement und Datenschutz bis hin zum Kundensupport unter die Lupe genommen.

Mit Fabasoft ist hier nun auch ein österreichisches Unternehmen vorgeprescht: Als Erster hat Fabasoft mit fünf Sternen die höchstmögliche Zertifizierung im Euro Cloud Star Audit erreicht. Das sei auch deshalb ein gutes Ergebnis, da die meisten Anbieter sogar für eine Dreisternezertifizierung noch viele Hausaufgaben zu erledigen haben, sagt Höllwarth. Das gilt vor allem für den Schutz personenbezogener Daten.

„Wer fünf Sterne schaffen möchte, muss seine Aufgaben mustergültig erledigt haben“, so Höllwarth: „Damit wird eine Latte gesetzt, die für andere Anbieter schwer zu überspringen sein wird.“ Trotzdem werde es einen Nachahmereffekt auslösen, glaubt Höllwarth. So haben sich bereits einige Behörden informiert, wie sie ihre Angebote sicher zur Verfügung stellen können. Auf positive Folgen hofft man auch bei Fabasoft selbst: „Erst wenn wir europäische Standards etablieren, haben europäische Unternehmen eine Chance“, sagt Fabasoft-Vorstand Helmut Fallmann.

Europäisches Recht

In der Zwischenzeit konnte das Unternehmen bereits von europäischen Rahmenbedingungen profitieren. Nachdem das Datenschutzabkommen Safe Harbour mit den USA geplatzt ist, haben Anwender vermehrt nach Cloud-Services unter europäischem Recht gesucht, sagt Fallmann. Am stärksten ist die Auswirkung im Bereich Private Cloud – darunter versteht man die Datenspeicherung im eigenen Rechenzentrum. Die Wachstumsraten liegen deutlich im zweistelligen Bereich, sagt Fallmann. Insgesamt ist das Unternehmen im ersten Halbjahr 2015 – neuere Zahlen liegen nicht vor – um 14 Prozent auf einen Umsatz von 14 Millionen € gewachsen.

Von den rechtlichen Unsicherheiten um die Datenschutzvereinbarung zwischen Europa und den USA profitieren aber auch andere österreichische Anbieter, wie zum Beispiel Brainloop. Das Bewusstsein für Datenschutz sei deutlich gestiegen, sagt Brainloop-Österreich-Chef Helmut Pöllinger: „Wir haben in den vergangenen Wochen zwei neue Kunden gewonnen, die dezidiert keinen US-amerikanischen Anbieter möchten.“

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